Hermann Ieland

Wir entweihen Weihnachten
Weihnachten ist nun seit gestern vorbei. Alle Jahre wieder: Tannenbaum aufstellen und schmücken, Geschenke besorgen, durch überfüllte Städte fahren, durch geschmückte Geschäfte schlendern, auf überteuerten Weihnachtsmärkten schlechten Glühwein trinken und ungesund essen, Geschenke auspacken und feststellen, dass man das Zeug gar nicht braucht, das Festessen verspeisen und satt auf dem Sofa liegen, mit der Familie zusammensitzen, sich unterhalten und gegebenenfalls streiten, feststellen, dass man doch auch gerne seine Ruhe hätte, nach den Feiertagen bemerken, dass man doch ein paar Kilo zugenommen hat. 
So oder so ähnlich verbringt man in Deutschland die Vorweihnachtszeit und die Feiertage. Ich frage mich jedes Jahr aufs Neue: Wozu das alles? Was hat das mit dem eigentlichen Fest zu tun? Warum sind das für uns überhaupt Festtage? Man sagt, Weihnachten sei eine Zeit der Besinnung. Aber ich frage mich, was ist damit gemeint? Sollen wir uns über den Sinn unseres Lebens klar werden? Oder unser Leben in dieser Zeit mit Sinn aufladen? Oder in all dem Wahnsinn zur Besinnung kommen? Ich glaube eher, dass wir durch äußere Einflüsse dazu getrieben werden, den ganzen Unsinn mitzumachen. Denn unsere Kultur wird immer mehr künstlich erschaffen, statt aus Tradition zu entstehen. Unsere Kultur ist wirtschaftlich orientiert. Wir kaufen gelebte Kultur, sei es in Filmen, Büchern, Veranstaltungen oder eben Festen. Wir leben in einem festen Ablauf und Rhythmus von Festen, die wir feiern, indem wir die notwendigen Accessoires konsumieren. Unsere Rituale und unser traditioneller Glaube sind mit Kaufhandlungen verbunden und der eigentliche Inhalt ist inzwischen durch das materielle Beiwerk ersetzt worden. Dieses materielle Beiwerk ist in unserem sozialen Umfeld so überidealisiert, dass es die sozialen und individuellen Besonderheiten in Vergessenheit geraten lässt. Dies ist besonders an Weihnachten zu beobachten. Das heißt, nicht mehr der Sinn eines Festes ist wichtig, sondern die Gegenstände, die damit verbunden sind. Und genau darum geht es an Weihnachten, wie bei allen Festen. Wir entleeren den Sinn des Festes. An Weihnachten kultivieren wir Stress statt Ruhe, Konsum statt Bescheidenheit, Wahnsinn statt Besinnung, oft Diskussionen und manchmal Streit statt Frieden.
Wie habe ich dieses Jahr Weihnachten verbracht? Ich war bis Mitte Dezember auf Madeira und habe dort von Weihnachten nicht viel mitbekommen. Danach habe ich mich wie jedes Jahr bewusst zurückgehalten. Ich habe keinen Glühwein getrunken und nicht viel Gebäck gegessen, war nicht unterwegs. Zum Glück habe ich in der Weihnachtszeit sogar abgenommen. Was für ein Geschenk 🙂

Eine Antwort

  1. Herman, du hast Recht, wenn wir durch das Prisma des Konsums schauen, der uns jeden Tag begleitet, sieht Weihnachten jedes Jahr so ​​aus, aber wir sollten uns davon fernhalten, es zu stigmatisieren. Jede Kultur hat ihre eigenen Traditionen und jeder Mensch hat die Möglichkeit, seine eigenen zu schreiben … genau wie ich. Ich lebe seit 10 Jahren in Deutschland und muss zugeben, dass Weihnachten in Deutschland im Vergleich zur polnischen Tradition, in der ich aufgewachsen bin, blass ist, und ich spreche nicht über den religiösen Kontext von Weihnachten. Jedes Jahr fahre ich 800 km, um an Heiligabend mit meinen Eltern zu verbringen, denn wie mein Sohn sagt, ist Weihnachten ohne Oma „Pierogi“ kein Weihnachten, und er hat mir das als 12-jähriges Kind bewusst gemacht wenn wir, wie ich ihm vorgeschlagen habe, Weihnachten in einem exotischen Land verbringen, abseits der Weihnachtshektik, dem Chaos, das in einer Nacht kurz vor Heiligabend fieberhaft wird. Das war das erste Mal, dass ich mir selbst auf die Schulter klopfte und mir sagte, dass ich mein Kind gut erzogen habe!
    Denn gibt es etwas Wertvolleres, als in dieser besonderen Zeit Respekt und Liebe zu zeigen?
    Meine Eltern nehmen diese Zeit ganz besonders wahr, sie warten das ganze Jahr darauf, dass sich ihre Kinder und Enkel an diesem einen Abend an dem Tisch voller Köstlichkeiten treffen, die meine Mutter drei Tage lang zubereitet – 12 traditionelle, fleischlose Gerichte, während mein Vater die zubereitet Weihnachtsbaum, Tisch.
    Uns allen ist bewusst, dass diese Tradition weiterbestehen wird, solange meine Eltern leben.
    Jeder von uns hat seine eigenen beruflichen Verpflichtungen, wir leben in verschiedenen Teilen der Welt, aber unsere Eltern sind der Teil, der uns sagt, dass an diesem Abend die Familie das Wichtigste ist.
    Ich beginne meine Weihnachtsvorbereitungen damit, in der ersten Adventswoche eine lebende Fichte zu schmücken. Ich liebe diesen Duft… Wenn wir den Duft von frischen Zimtplätzchen, Nelken und Orangen hinzufügen, beginnen die Feiertage… 🙂
    Die Atmosphäre, die wir um uns herum schaffen, ist die Grundlage für Polemik darüber, was Weihnachten für uns bedeutet. Die Werte, denen wir im Leben folgen, bestimmen, wie die Weihnachtstradition unser Weltbild beeinflusst.
    Ich mag keinen Glühwein, aber ich mag den Duft von gerösteten Nüssen gepaart mit einem frostigen, scharfen Windstoß, deshalb werde ich den Weihnachtsjahrmarkt besuchen.
    Ich kaufe das ganze Jahr über Geschenke für meine Liebsten und in Kombination mit meinen Kurzreisen suche ich nach einzigartigen Kleinigkeiten, die individuell sind und aus tiefstem Herzen geschenkt werden. Deshalb habe ich im Dezember Zeit, ihn gemütlich zu Hause bei einer Tasse heißer Kakao zu verbringen, meiner Lieblingsmusik zu lauschen, lange Spaziergänge im Schwarzwald zu unternehmen … und im Winter ist es außergewöhnlich schön, friedlich und unglaublich magisch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert