Hermann Ieland

Der Tod der schwäbischen Hausfrau – warum wir nicht (mehr) sparen
In der Gesellschaft und durch die Erzählungen unserer Großeltern wurde uns (zumindest mir) früher das gute Haushalten eingetrichtert, symbolisiert durch die schwäbische Hausfrau.
Dazu gehört zunächst, genau zu wissen, wie viel man einnimmt und wie viel man ausgibt. Daraus lässt sich ableiten, wie viel man im Gesamten in einem Monat spart oder zu viel ausgibt. Der zweite Schritt ist die Kostenanalyse. Sie zeigt, wie viel Geld man wofür ausgibt. Dann stellt man sich die Frage, ob der einzelne Kostenpunkt das Geld wert ist, das man dafür ausgibt. Die Konsequenz ist, dass man gegebenenfalls einzelne Kostenpositionen reduziert. Seit ich berufstätig bin, erfasse ich konsequent meine Einnahmen und Ausgaben. Durch die Bildung von Kostenblöcken wie z.B. Lebensmittel, Miete, Autowartung etc. weiß ich genau, wie viel ich wofür ausgebe, wie sich die Kosten entwickeln und was ich seit ich arbeite dafür ausgegeben habe. So weiß ich auch, wie viel Geld ich zum Leben brauche, was ich mir leisten kann und wie viel ich sparen muss. Ich mache das vierteljährlich. Der Aufwand ist überschaubar. Zuerst muss man die Excel-Datei aufbauen und formatieren. Dann im Quartalsturnus alle Kosten aufschreiben oder Kassenzettel mitnehmen und kurz eintragen. Alles in allem dauert das vielleicht 2 Stunden pro Quartal. Es erfordert etwas Disziplin, aber es lohnt sich ungemein. Ich mache das so lange, bis ich für mein Geld nicht mehr arbeiten muss. Ich mache das nur für reine Ausgaben, die unwiederbringlich weg sind, als Sunk Cost, nicht für Investitionsausgaben, die nur das Ziel haben, Geld zu vermehren oder Geld zu sparen.
Ich bin mir bewusst, dass ich eine absolute Ausnahme bin. Mir wurde unter anderem eingetrichtert, keine Kredite aufzunehmen, außer für den Erwerb einer Immobilie, für den Notfall zu sparen, Dinge lange zu nutzen, immer kritisch zu hinterfragen, wofür man sein Geld ausgibt, zu prüfen, ob man das gewünschte Ziel nicht auch ohne oder mit weniger Ausgaben erreichen kann und zu überlegen, ob eine bestimmte Ausgabe mir am Ende wirklich nützt oder nicht sogar schadet. Denn die Logik dahinter ist einfach. Ich tausche meine Lebenszeit gegen Geld, also will ich genau wissen, wofür ich meine Lebenszeit eintausche. Denn nicht das Geld ist unser Engpass, sondern eben unsere Lebenszeit.
Wenn man sich die Statistiken anschaut, sieht man, dass die Verschuldung und die Insolvenzen der privaten Haushalte seit Jahren steigen. In meinem Bekanntenkreis werde ich oft mit Aussagen konfrontiert wie: „Ich will jetzt leben, weil ich nicht weiß, wie alt ich werde“, „Ich will nicht verzichten“, „Warum sparen? Das macht doch sonst keiner“, etc. Grundsätzlich ist es richtig, dass wir nicht wissen, wie alt wir werden. Aber ich denke, man sollte mit dem Besten planen, und das ist für mich gesund bleiben bis mindestens 85. Und dementsprechend plant man auch. Ich nehme wahr, dass viele Menschen monetär nicht über ein oder zwei Monate hinaus denken. Sie haben kein Gefühl dafür, wie viel und wofür sie Geld ausgeben und was es ihnen im Nachhinein gebracht hat. Gedanken an die Altersvorsorge werden auf morgen verschoben oder ganz ausgeblendet. Viele geben auch einfach unreflektiert Geld für Dinge aus, weil sie es schon immer so gemacht haben, nicht darüber nachdenken oder es als Ersatzbefriedigung für andere Probleme nutzen. Oder sie erliegen einfach der Marketingmaschinerie unserer Wirtschaft. Gespart wird wenig bis gar nicht.Natürlich hört man immer wieder die Ausrede, man würde ja, wenn man könnte. Schaut man sich dann aber an, wofür das Geld ausgegeben wird, relativiert sich diese Aussage oft wieder.
Sicherlich ist es absolut gerechtfertigt, Geld für die elementaren Grundbedürfnisse auszugeben. Diese sind dann aber auch relativ schnell befriedigt. Ich habe eher den Eindruck, dass das Wohlstandsniveau und das, was damit verbunden ist, kontinuierlich steigt. Was früher als Luxus galt, gilt heute für viele Menschen als Existenzminimum. Aber zufriedener macht das am Ende oft auch nicht.
Natürlich stellt sich die Frage, was mit dem gesparten Geld geschieht. In Zeiten der Geldentwertung macht es keinen Sinn, erspartes Geld nicht arbeiten zu lassen. Im Gegenteil, wenn man sich ökonomisch emanzipieren will, ist dies der letzte Schritt nach Transparenz und Kostenoptimierung. Man muss sich überlegen, wie viel Geld wofür gespart werden soll: kurzfristige, größere Anschaffungen, Immobilien oder Altersvorsorge. So muss es angelegt werden. Aber dazu mehr in einem anderen Beitrag.
Was ist die Essenz davon? Nun, ich glaube, unsere Wirtschaft hat es geschafft, uns das Sparen abzugewöhnen und damit die Denkweise der schwäbischen Hausfrau zu töten. Man lebt im Hier und Jetzt, vielleicht noch morgen, aber dann ist oft Schluss. Sie hat es geschafft, indem sie uns mit günstigen Finanzierungen für Konsumgüter, mit Marketingversprechungen und mit medialen Ablenkungen davon abhält, Zeit, Muse und Aufmerksamkeit für ein ordentliches Wirtschaften aufzubringen. Sie hindert uns daran, genau abzuwägen, wofür es sich lohnt, finanzielle Mittel und damit Lebenszeit einzusetzen. Hinzu kommt die bei vielen leider vorhandene Bildungsferne oder das Desinteresse an Grundkenntnissen über Geld, Kostenrechnung, Finanzmathematik, Risikobewertung und Gestaltung der eigenen Finanzen. Ich denke, dass ein sauberes und transparentes Wirtschaften sowie ein gutes Händchen bei der Geldanlage für ein selbstbestimmtes Leben absolut notwendig sind. Dazu braucht es nicht viel, nur Interesse und etwas Disziplin. Man muss sich über seine Ausgaben im Klaren sein, sich (Spar-)Ziele setzen, sich mit Anlagemethoden auseinandersetzen und sich etwas besser organisieren. In der Zukunft Geld zu sparen bedeutet logischerweise, dass man dann weniger tun muss, um Geld zu haben und es für das zu verwenden, was man wirklich braucht. Letztendlich kann diese Perspektive eine sehr große Motivation für Fleiß und Zielstrebigkeit sein, zumindest für mich. Denn wer gut sät und pflegt, kann auch gut ernten. Und im Alter habe ich sicher anderes und Spannenderes zu tun, als zu arbeiten oder mich um Geld zu sorgen. Denn im Alter soll gelten: Party on, easy living und enjoy life.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert