Hermann Ieland

Wandern im Engadin 2023
Immer wieder gehe ich gerne wandern. Seit Jahren schwärmt ein guter Freund von mir vom Engadin/Graubünden. Dieses Jahr bin ich mit ihm auf eine mehrtägige Wanderung gegangen. Da die Schweiz unglaublich teuer geworden ist, haben wir über Air BNB ein Zimmer gebucht. Unseren Proviant habe ich günstig aus Deutschland mitgebracht. Übernachtet haben wir in Poschiavo. Auf dem Hinweg haben wir am Silsersee einen kleinen Abendspaziergang gemacht. Am Ende der Wandertage würden wir noch einmal für eine längere Tour dorthin zurückkehren.
Am ersten Tag stiegen wir ca. 1200 Höhenmeter auf den Gipfel des Pas des Cancian. Da ich ein guter Langstreckenläufer, aber ein schlechter Bergsteiger bin, war es für mich sehr schwierig, da ein großer Teil der Strecke sehr steil war. Da ich mit einer Digitalkamera unterwegs bin, Wasser brauche und über 120 kg Eigengewicht mit mir herumschleppe, ist es bergauf sehr anstrengend. Mein sehr guter Freund hat das etwas unterschätzt und nach ¾ des Aufstiegs verließen mich die Kräfte. Eigentlich wollte ich umkehren, aber wenn ich an meine Grenzen stoße, packt mich oft der Ehrgeiz und ich gehe weiter. Es ging nur langsam voran, da ich immer wieder kurze Pausen einlegen konnte. Auf dem Gipfel angekommen, bin ich dann für 15 Minuten eingeschlafen. Dann ging es weiter leicht bergauf und bergab über Eisensteige, bis wir zum Abstieg kamen. Als wir wieder eine befahrbare Straße hatten, war mein Kumpel so nett und hat mich abgeholt, weil ich wirklich nicht mehr konnte. Insgesamt waren wir 12 Stunden unterwegs. Trotz der körperlichen Anstrengung hat es sich gelohnt. Die Aussicht war grandios, die Landschaft wechselte schnell. Wälder, Wiesen, Bergblumen, Bäche, Felsen, Gletscher, Bergseen, Gerölllandschaften. Am zweiten Tag waren wir weniger intensiv unterwegs, da die Tour am Vortag sehr anspruchsvoll war. Es war die Tour von Poschiavo über San Romerio nach Viano. Da ich mich mit den Höhenmetern schwer tue, sind wir per Anhalter viele Höhenmeter hinaufgefahren, um dann auf der anderen Seite des Lago di Poschiavo zu wandern. Was ich dabei gelernt habe, ist, dass es in den Bergen viele kleine Mikroklimata gibt, also Wetterumschwünge, die unabhängig vom Wetter sind. Die Tour war weniger spektakulär als die vom Vortag, aber trotzdem sehr lohnend. Es geht eigentlich nur durch den Wald, hauptsächlich bergauf. Wunderschön ist der Beginn des Abstiegs nach San Romerio, einer kleinen Kapelle. Der Weg weiter Richtung Viano ist echte Schweizer Almidylle. Mit Wiesen und Blumen. Viano ist ein kleines Dorf. Von dort sollte es per Autostop zurück nach Poschiavo gehen. Leider war uns das Anhalterglück nicht hold, so dass wir bis Brusio zu Fuß gehen mussten. Als wir dort ankamen, war uns das Glück wieder wohlgesonnen und wir wurden mitgenommen.
Am dritten Tag fuhren wir ins Val di Campo. Dort gibt es drei Seen, den Lago di Saoseo, den Lagh di Val Viola und den Lagh Scispadus. Wir hatten großes Glück mit dem Wetter, perfektes Wanderwetter. Am Morgen sind wir mit dem Auto zur Postbushaltestelle gefahren, um dann mit dem Postbus hochzufahren, um wieder Höhenmeter zu sparen, Hermann der Höhenkrüppel ;-). Von Alpe Campo ging es zuerst zum Lagh Viola. Ich habe noch nie einen schöneren Bergsee gesehen. Die ganze Bergnatur in diesem Tal ist einfach grandios. Unberührte Natur, tolle Wanderwege, schnelle Landschaftswechsel, klare Luft, sauberes Wasser einfach toll. Bis zum Lago di Saose bin ich dann alleine abgestiegen, da mein Freund noch weiter hinauf auf die italienische Seite wollte. Ich verzichtete auf die Höhenmeter und stieg lieber ab und wartete dort auf ihn. Obwohl viel los war, traf man nicht viele Leute. Der Lago Scispadus ist nicht wirklich sehenswert. Der Lago die Saoseo ist dagegen sehr schön. Man kann drum herum klettern und wunderbar darin baden, was ich nicht gemacht habe. Das Wasser ist super klar. Nachdem mein Freund angekommen war, sind wir wieder zur Postbusstation im Tal abgestiegen. Auch diese Wanderung war wunderschön. Es gab Waldseen, Wiesen, Bäche, Blumenfelder, Felsenabstiege. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich noch nie in meinem Leben so schöne Bergseen gesehen habe wie diese.
Am nächsten Tag ging es wieder zurück. Vorbei an den Hotelbunkern von St. Moritz hielten wir noch einmal am Silsersee, um auf der von der Straße aus gesehen gegenüberliegenden Seite von Sils im Engadin nach Maloja zu wandern. Eine leichte Wanderung zum Abschluss für zwei schon sehr geschlauchte Herren. Auch diese Wanderung war wunderschön. Tolle Wege, tolle Aussichten und angenehmes Klima am Silsersee. In Viola angekommen fuhren wir wieder mit dem Auto zurück nach Sils und von dort direkt nach Zürich.
Was habe ich aus diesen Tagen mitgenommen? Ich bin ein schlechter Bergwanderer, wenn es bergauf, denn das geht mir bei meinem Gewicht auf die Gelenke. Wenn ich dann Schmerzen habe, bekomme ich schlechte Laune ;-). Ich muss unbedingt abnehmen. Das Wandern regt unheimlich zum Nachdenken an, es wird einem vieles klarer. Mit meinem guten Freund habe ich sehr gute Gespräche geführt. Obwohl ich ihn schon über 15 Jahre kenne, habe ich ihn noch ein bisschen besser kennen gelernt. Die Menschen im Tal sind unglaublich nett und bodenständig, man unterhält sich gerne, auch wenn man mitgenommen wird. Entscheidend für das menschliche Wohlbefinden ist die Nähe zur Natur. Im Grünen ist man einfach besser gelaunt, sanfter und grübelt nicht so viel. Wichtig ist, dass man morgens vor der Wanderung gut frühstückt. Auch wenn die Wandertage anstrengend sind, am Abend fühlt man sich einfach gut. Und zu guter Letzt: Es gibt nichts Besseres am Ende einer Wanderung als ein kühles Radler von Calanda (und nein, ich bekomme kein Geld von Heineken dafür, dass ich das sage, aber es ist wirklich meine Meinung).

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