Hermann Ieland

Umverteilung von unten nach oben – das Ammenmärchen von der Wertschöpfung
Wirtschaft und Politik versuchen uns immer wieder einzureden, dass es auf Produktivität, Wachstum und Wertschöpfung ankommt. Doch was ist Wertschöpfung oder Mehrwert? Nun, wir zahlen für ein Gut den Preis, den wir zu zahlen bereit sind. Die Differenz zwischen den Kosten dafür, seien es Energie-, Material- oder Personalkosten, und dem erzielten Preis ist der Ertrag oder eben die Wertschöpfung. Wenn wir durch die Wertschöpfungskette gehen, schlägt jeder, der an der Produktion beteiligt ist, seinen Ertrag oder eben Mehrwert auf die Ware auf. Er schafft Mehrwert oder eben Wertschöpfung. Das passiert schon bei der Gewinnung von Rohstoffen, die zunächst einmal selbst nichts kosten, sondern eben nur die Gewinnungskosten. Jedes so kleine Teil wird mit einer Marge preislich aufgeblasen, so dass die OEMs am Ende auf die tatsächlichen Kosten und die bisherigen Margen noch einmal ihre eigenen Margen draufschlagen und Vater Staat am Ende mit der Mehrwertsteuer (=Umsatzsteuer) das Ganze für den Endverbraucher noch einmal um gut 20% verteuert. Der Preis ist also nichts anderes als die geringen Kosten der Dinge und die mehrfach addierten und hoch multiplizierten Margen plus Mehrwertsteuer. Betrachtet man aber die Preisbildung und die Preisbereitschaft genauer, so sind dies nichts anderes als Märchen, die uns erzählt werden und die wir glauben. Der Preis wird akzeptiert, weil man glaubt, dass viele andere Leute auch diesen Preis zahlen oder sogar noch mehr. Aber in diesem Moment glaubt man es nur selbst. Tatsache ist, dass Konsumgüter ihren Wert verlieren, sobald man sie gekauft hat. Das sieht man sofort bei Neuwagen, die nach der Zulassung 30 Prozent ihres Wertes verlieren, ohne dass man auch nur einen Kilometer gefahren ist. Wir verlieren also bei jedem Kauf. 
Wir müssen uns vielmehr bewusst machen, dass wir mit jedem Kauf unser Geld von unten nach oben durchreichen. Mit oben meine ich die Kapitalbesitzer, die gut bezahlten Manager, die Banken und die Staatsdiener. Jeder Kauf zementiert unser Wirtschaftssystem. Alles, wirklich alles wird preislich nur dadurch definiert, dass jemand sagt, er zahle X Geldeinheiten dafür. Natürlich gelingt es der Wirtschaft durch künstliche Verknappung, durch die Lüge der Exklusivität und durch Marketing, uns einzureden, dass eine Sache einen bestimmten Wert hat. Aber wenn jeder sagen würde, die Dinge sind für ihn wertlos, man zahlt nichts dafür, dann würde unsere Wirtschaft sofort aufhören zu existieren. Viel entscheidender für die Preisbewertung ist aber der Beitrag, den eine Sache zum Wohlbefinden leistet. Es ist also der Nutzwert einer Sache, der uns dazu bringen sollte, eine Sache nach ihrem Preis zu bewerten und nichts anderes. Ich bin absolut der Meinung, dass dies nur auf sehr wenige Dinge zutrifft. Ich glaube, wenn die Menschen nur das kaufen würden, was ihnen wirklich etwas bringt, dann hätten wir die schlimmste Wirtschaftskrise seit Menschengedenken. Aber ich glaube, es würde uns gut tun und unserem Planeten noch mehr. Es würde die Politik dazu bringen, darüber nachzudenken, wie man die Wirtschaft so gestalten kann, dass sie nicht mehr darauf basiert, billig produzierte Energie zu verbrauchen und Menschen zu zwingen, ihre Lebenszeit für die Wohlstandsmehrung anderer Menschen einzusetzen. 
Wie das aussehen könnte? Nun, wenn ich das wüsste, würde ich direkt in die Wirtschaftsforschung wechseln. Aber ich glaube nicht, dass das passieren wird, weil es den Interessen einiger weniger Mächtiger und Superreicher widerspricht. Die Einsicht, dass dies der einzige Weg ist, unsere kommenden Probleme und unser nicht funktionierendes Wirtschaftssystem zu ändern, wird nur dann in konkrete Handlungen umgesetzt werden, wenn wir endlich vernünftig werden und unser vergangenheitsorientiertes Denken in Lösungsideen umwandeln. Die Hauptmotivation, dass WIR ALLE gut leben können, müsste sich dazu aber durch alle Schichten ziehen und genau das bezweifle ich. Unsere von Lobbys korrumpierten Politiker und überbezahlten Wirtschaftsführer scheren sich einen Dreck darum. Die bisherigen Ideologien haben es alle nicht geschafft. Heiner Geißler, den ich für einen der besten Politiker unserer Zeit halte, hat das erkannt und ich kann ihm nur zustimmen: „Alle Versuche sind gescheitert – von Spartakus über die römische Inquisition bis hin zu Kapitalismus und Kommunismus. Niemandem ist es bisher gelungen, den ewigen Platz an der Sonne, das Elysium, zu garantieren, auch nicht Religionen, esoterischen Heilslehren und Ideologien“.

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