Hermann Ieland

Spielen wir nur Monopoly?
Ich stehe am Anfang meiner zweiten Lebenshälfte. Irgendwie habe ich im Laufe der Jahre den Eindruck gewonnen, dass das Verhaltenssystem in unseren sozialen Strukturen fast ausschließlich aus Tauschbeziehungen besteht. Schon die Natur beginnt damit bei der Geburt, indem das Kindchenschema die wahrgenommene Bedürftigkeit und Hilflosigkeit des Kindes gegen die Fürsorge der Eltern tauscht. Im Laufe der Evolution hat sich Altruismus als Überlebensgarantie nicht wirklich ausgezahlt. Vielmehr entscheidet das Prinzip „Survival of the fittest“. Es überlebt, wer zuerst an sich denkt.
Wenn wir uns die politischen Verhältnisse anschauen, dann tauschen wir ständig etwas gegen etwas anderes, ohne dass wir genau wissen, um was es sich handelt und sich volle Zufriedenheit einstellt. Wir tauschen Steuerzahlungen und Sozialabgaben im Staatsgefüge gegen Schutz, Infrastruktur, innere und äußere Sicherheit.
Die Religion, vor allem im Westen, bietet den Tausch von Geld und Gehorsam gegen die Ewigkeit an. Das ist besonders interessant, weil noch niemand genau sagen kann, ob es das überhaupt gibt und was uns da genau erwartet. Vorschläge und Ideen dazu gibt es viele.
Unser Wirtschaftssystem gaukelt uns vor, dass wir unsere Lebenszeit gegen Geld tauschen. Wir tauschen Geld gegen Waren. Wir tauschen unsere Zeit gegen Wohlstand. In der heutigen Zeit wird immer mehr darauf geachtet, dass man sich schadlos hält, egal was passiert. Bloß nicht derjenige sein, der am Ende die Rechnung bezahlen muss. Ich habe den Eindruck, dass wir immer mehr darauf getrimmt werden, uns gegenseitig das Geld aus der Tasche zu ziehen. Die entscheidende Frage ist, wie man sich so verhält, dass man sich am Ende schadlos hält. Darin sind Versicherungen und Vermieter wahre Meister. Da wird auf Schadenersatz geklagt, Leistungen werden gekürzt oder verweigert, bis die Balken brechen. Ich habe auch schon gegen uneinsichtige Vermieter geklagt und gewonnen :-). Auch in Beziehungen tauschen wir. Wir tauschen Aufmerksamkeit, Vertrauen und Zuneigung. Einseitige Beziehungen ohne Gegenseitigkeit enden irgendwann. Immer dann, wenn wir das Gefühl haben, nicht genug von dem zu bekommen, was wir uns wünschen oder erwarten, werden wir irgendwann unzufrieden und beenden den Kontakt.
Die Frage ist: Können wir dem etwas entgegensetzen? Können wir die verschiedenen Programmierungen überwinden und sagen: Wir haben genug? Wir brauchen nicht mehr? Wir spielen nicht mehr mit. Wir lassen es einfach so, wie es ist. In Unwissenheit, welcher Bösewicht uns betrügt, welcher andere uns um unseren Wohlstand bringen will, welches Unternehmen uns Geld für Unsinn aus der Tasche ziehen will oder welches böse Staatsorgan noch mehr Steuern oder Abgaben verlangt oder Leistungen verweigert, glaube ich nicht daran. Homo hominem lupus est. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Der Grundgedanke ist, dass fast alle Menschen, ausgenommen Familie und (echte!) Freunde, einem zunächst einmal nicht freundlich gesinnt sind, sondern stattdessen Hintergedanken oder Absichten verfolgen und einem gegebenenfalls sogar schaden wollen. Denn das Grundmotiv, das dahinter steckt, ist doch die Angst, dass es für den gewünschten Lebensstandard nicht reichen könnte, dass man überfordert sein könnte, dass man arm in der Gosse landen könnte oder dass man sich mit der Grundsicherung bis zum Tode begnügen muss mit dem Gedanken, dass man ein Verlierer sei. Oder vielleicht im Gegenteil ein Gefühl von Kontrolle und Erhabenheit gegenüber anderen Menschen. Ich glaube, durch das menschliche Grundmotiv der Angst können wir gar nicht anders, als sicherzustellen, dass wir weiter existieren. Der evolutionäre Überlebensmodus in einer Welt des Überflusses führt zu diesem Phänomen. So spielen wir leider munter weiter. Mit den vielen Millionen überschuldeten Menschen gibt es leider viel mehr Verlierer als Gewinner. Dass wir durch die hohe Staatsverschuldung alle Verlierer sind, verstehen die meisten leider nicht, weil es zu abstrakt ist. Aber das Thema, ohne Schulden kein Besitz, wird in einem anderen Beitrag behandelt. 
Die Frage ist: Wie kann man im Monopoly des Lebens bestehen? Es gibt kein Patentrezept, aber meine Strategie ist einfach: keine Schulden machen, keine Haftungsrisiken eingehen, die elementaren Einkommens- und Vermögensrisiken absichern, in die eigene Bildung investieren, um Einkommen zu erzielen, sparen und investieren, um frühzeitig aus dem Monopoly aussteigen und sich den wirklich interessanten Dingen des Lebens zuwenden zu können. Ich habe übrigens gerade ein Hotel in der Parkstraße gebaut, mal sehen, wann der erste Pechvogel dort landet. 🙁

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