Hermann Ieland

Sinnsuche ohne Sinn – der Mensch ohne Orientierung
Neulich sagte ein guter Freund, dessen Eltern gesundheitliche Probleme bekamen, er verstehe nicht so recht, was eigentlich der Sinn des Ganzen [Lebens] sei und wozu das alles gut sein soll. Ich glaube, er stellte sich hier die Grundsatzfrage, die sich die Menschen seit Jahrtausenden stellen.
Der menschliche Verstand versucht, das Leben und die Ereignisse monokausal zu begründen und alles in einen Zusammenhang zu stellen. Seit vielen Jahrhunderten stellen sich die Menschen die Frage nach dem Warum, nach dem Woher, nach dem Wohin und nach der Zeit. Alles an sich wichtige Fragen, aber ohne Antwort.
In meiner Schulzeit wurde ich im Philosophieunterricht einmal mit der Frage konfrontiert, was der Wind tun würde, wenn er nicht wehen würde. Das Entscheidende an dieser Frage ist sicher nicht die Antwort, sondern die Erkenntnis, dass es viele Fragen gibt, auf die es einfach keine Antwort gibt, weil die Frage an sich falsch gestellt ist. Wie die allgemeine Sinnfrage.
Evolutionär gesehen hat unsere Existenz nur einen Sinn, nämlich den Fortbestand unserer Art durch Fortpflanzung zu sichern. Einen anderen Sinn kann ich nicht erkennen. Einen anderen definierten Sinn würde bedeuten, den eigenen Anspruch auf Wahrheit, die ja bekanntlich gar nicht existiert, über den anderer Menschen zu stellen. Sobald wir also einen allgemeinen Sinn jenseits der Fortpflanzung definieren, stellen wir diesen vermeintlichen Sinn über den definierten Sinn der anderen. Das kann nur anmaßend sein. Dieses Dogma wurde in unserer Menschheitsgeschichte sehr oft von Religionen, Königs- und Kaiserreichen, Faschismus, Wirtschaft oder Politik benutzt, indem man den Sinn für den Mehrwert des eigenen Dogmas benutzte. Die Geschichte ist voll von Beispielen. Viele Menschen sagen, der Sinn bestehe darin, dafür zu sorgen, dass unsere Natur, so wie wir sie heute kennen, weiterbesteht, damit auch künftige Generationen weiterleben können. Ich bezweifle sehr, dass der Mensch generell dazu in der Lage ist. In der Erdgeschichte gab es viele massive Klimaveränderungen, natürliche und künstliche, oder äußere Ereignisse, die zu einer Verbesserung oder Verschlechterung der Lebensbedingungen auf unserem Planeten beigetragen haben. Wir können sie nicht beeinflussen.
Zusammenfassend müssen wir uns eingestehen, dass unser einziger Sinn in der Natur darin besteht, uns fortzupflanzen. Alle anderen Sinnkonstruktionen nützen irgendjemandem oder sind dogmatisch. Es gibt also leider keinen Sinn, denn die Frage nach dem Sinn ist einfach falsch gestellt. Entscheidend ist vielmehr die Frage, was dem Menschen wichtig sein sollte. Und die ist leicht zu beantworten: Das eigene Wohlergehen und das der Menschen, die einem wichtig sind, so lange wie möglich zu erreichen und zu erhalten. Der Lebenssinn kann nur in der eigenen Lebenszufriedenheit zu finden sein. Ein zufriedener Mensch stellt sich die Sinnfrage nicht. Er genießt den Augenblick, den er gerade erlebt oder freut sich auf das was noch vielleicht kommen möchte. 

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