Hermann Ieland

Beziehungen: Hallo und Auf Wiedersehen
Ich habe vor ca. 20 Jahren einen sehr guten Bekannten kennen gelernt. Daraus entwickelte sich eine sehr gute Freundschaft. Er wurde mein bester Freund und ich dachte, ich wäre auch sein bester Freund. Es war mir immer sehr wichtig, diese Freundschaft zu pflegen, trotz der großen räumlichen Distanz. Dann kam es dazu, dass der Freund wesentliche Teile seines Lebens so veränderte, dass meine Person darin keinen Platz mehr fand. Die Folge war, dass der Kontakt von ihm abgebrochen wurde, und zwar auf die schlimmste Art und Weise, die man sich vorstellen kann. Er hat aktives Ghosting betrieben, einfach den Kontakt abgebrochen, kein Lebenszeichen mehr. Überall blockiert. Das war sehr schmerzhaft für mich.
Da habe ich angefangen, darüber nachzudenken, was Beziehungen ausmacht. Ich fragte mich, worauf das Interesse an anderen Menschen beruht und warum es endet. Ist es der Austausch von Gefühlen, Wissen und Erfahrungen? Ist es die reine Sympathie, die positive Einstellung dem anderen gegenüber? Sind es gemeinsame Erfahrungen? Sind es gemeinsame Einstellungen oder Meinungen? Ist es der Wunsch, sich selbst mitzuteilen? Ist es der Wunsch, vom anderen zu lernen? Ist es das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit oder Langeweile? Ist es Neugier? Warum bedauern wir das Ende einer Begegnung? Ist es die Unmöglichkeit, positive Situationen der Vergangenheit zu wiederholen? Ist es der Verlust zukünftiger Möglichkeiten? Ist es die unbegründete Angst, für immer allein zu sein?
Menschen kommen und gehen. Alle Bekanntschaften und Freundschaften sind vorübergehend. Nichts ist von Dauer. Die emotionale Bindung an andere Menschen ist für das eigene Wohlbefinden ambivalent. Der Kontakt mit netten Menschen ist positiv. Wenn ein netter und wichtiger Mensch den Kontakt abbricht, ist das negativ. Niemand wird gerne verlassen. Es ist eine Gratwanderung zwischen Freude und Schmerz. Kontakt kann man nicht erzwingen. Man kann nur hoffen, dass der Wunsch nach Fortsetzung auf beiden Seiten vorhanden ist. Freundschaft und Bekanntschaft ist Gegenseitigkeit und nicht nur einseitig. Man braucht ein sehr feines Einfühlungsvermögen, um zu spüren, wohin eine Bekanntschaft führt und welche zeitliche Begrenzung sie hat. Oftmals befinden sich Menschen in einer bestimmten Lebensphase und suchen Bekanntschaften aufgrund der Situation, eines Wunsches oder der Umstände. Wenn Bekannte weiterziehen wollen, weil sich die Umstände ändern, kann man sie nicht aufhalten. Reisende sollte man ziehen lassen, auch weil man selbst immer ein Reisender ist. Man entscheidet, wen man mitnimmt, und der andere entscheidet, ob er einen mitnimmt auf die Reise in die Zukunft. Je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass es schwieriger wird, neue Bekanntschaften oder gar Freunde zu finden. Viele haben sich in ihrem Leben eingerichtet, haben Familie oder konzentrieren sich auf ihren Beruf. Vor allem Männer machen es sich schwer. Ich selbst merke, je mehr Menschen man kennenlernt, desto mehr lernt man die Muster, Probleme oder Herausforderungen im Leben der anderen kennen. Ich bewege mich immer im Spannungsfeld zwischen der Sehnsucht nach neuen, intensiven Kontakten einerseits und der Tatsache, dass ich schneller durchschaue und dadurch das Interesse wieder abnimmt, andererseits. Die Menschen, zu denen ich Kontakt halte oder aufbaue, sind mir sehr wichtig. Als „Lebensbegleiter“ interessiert mich, was ihnen passiert und wie sie damit umgehen. Ich helfe, wenn meine Hilfe gebraucht wird. Aber ich merke, dass ich immer sorgfältiger damit umgehe. Ich überlege mir sehr genau, mit wem ich meine Zeit verbringe. Auf der anderen Seite denke ich oft, wie interessant es wäre, neue Leute kennen zu lernen… bis dann die Ernüchterung kommt. Ein interessanter Zwiespalt.

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